Seefahrer, Sehnsüchte und Saudade. Lissabonner Perspektiven

Lissabon, die weiße Stadt im äußersten Westen Europas, vereinigt viele Widersprüche und Spannungen in sich. Die einstige Größe der weltumsegelnden Seefahrernation und Kolonialmacht steht den Problemen einer als »Randlage« empfundenen Position in Europa und der alltäglichen Armut gegenüber. Rolf Osang ermöglicht detaillierte, reizvolle und unerwartete Einblicke in das sehnsuchtsvolle und heitere Wesen dieser sinnlichen, südländischen Metropole am Atlantik. Man erfährt, wie lieb die Sardine den Portugiesen ist, die ihren Alltag großteils nach dem Kulinarischen ausrichten, oder was es mit dem Bacalhau, dem Nationalgericht, auf sich hat, für das es über 365 Zubereitungsarten gibt. Vom Portwein ganz zu schweigen. Vor allem in den liebevollen Porträts macht Rolf Osang das portugiesische Lebensgefühl in Lissabon spürbar, wenn Senhor Santos, der Trambahnfahrer, sich auch durch Autos auf den Schienen nicht irritieren lässt – »pois é!« –, oder Dona Eufémia, die Straßenkehrerin, ihren Wohlstand parallel zum Schmutz der Stadt wachsen sieht. Der Autor macht aber auch das Gefühl des Verlusts ehemaliger Größe erfahrbar, das wohl Ursache für jene nostalgische Melancholie ist, die als Saudade den Charakter der Portugiesen prägt und die in einem rezitierten volkstümlichen Gedicht, im Fado, gefühlvoll besungen wird...

132 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag